BLOG Wie führen Sie?

Wie führen Sie?

Würde man einen Piloten fragen, wie er oder sie sein Flugzeug von A nach B fliegt, dann würden wir eine klare Antwort erwarten. Würden wir einen Koch fragen, wie er oder sie den Hirschrücken zubereitet, könnte er oder sie es erläutern. Fragt man, einen erfahrenen Krankenpfleger, wie er oder sie Blut abnimmt, bekäme man sicherlich eine eindeutige Antwort.

Wir erwarten von Profis, dass sie mehr oder weniger sagen können, wie sie ihre Rolle ausüben. Sicherlich sind zahlreiche Handlungen so sehr internalisiert, dass man sich zuweilen schwertäte, die genauen Handlungsschritte in Worte zu fassen. Aber auch einer internalisierten, automatisierten Tätigkeit ging irgendwann eine bewusste Ausübung der Tätigkeit voraus. Fragen Sie mich also bitte nicht, wie ich „Stairways to Heaven“ auf der Gitarre spiele.

Wenn ich nun mit Führungskräften arbeite, stelle ich gerne dieselbe Frage: „Wie führen Sie?“. Gerne mache ich das konkret, im Rahmen einer kleinen Übung. Das klingt dann so:

Also, meine Damen, meine Herren. Sie sind ja Führungskräfte. Jetzt nehmen Sie bitte diesen leeren Zettel und formulieren Sie, wie Sie Ihre Mitarbeiter führen. Sie haben 10 Minuten Zeit. Los geht‘s“.

Natürlich ist mir in diesem Moment bewusst, dass diese Aufgabenstellung keine einfache ist. Ist sie aber unfair oder unangemessen? Ich denke nicht. Gerne lade ich alle Führungskräfte, die diesen Beitrag lesen, dazu ein, kurz innezuhalten und zu reflektieren, wie sie selbst diese Frage beantworten würden.

Erfahrungsgemäß klingen sieben bis acht von zehn Antworten am Ende so:

Ja, gute Frage (Ähem). Das ist schwer zu sagen, kann man so pauschal nicht beantworten. Führung ist doch immer auch situativ, hängt von vielen Dingen ab. Und dann ist das mal so oder auch mal so. Als Führungskraft handelt man doch auch intuitiv, oder?“.

Ist das nun eine gute Antwort? Sie klingt nach „irgendwie“.

Interessant ist aber, dass es üblicherweise zwei bis drei Führungskräfte gibt, die um eine klare Antwort nicht verlegen sind. Das kann dann auch mal so klingen:

Gute Frage, Danke! Darüber denke ich nach, seitdem ich Führungskraft bin. Aktuell würde ich die Frage so beantworten: Bei Problemen oder Entscheidungen denke ich nach, was zu tun ist, mache eine klare Ansage an meine Leute. Meist halte ich dann nach und schaue, was passiert und wie erfolgreich wir sind.“

Diese Antwort klingt „bossy“.

Es gibt aber auch solche Antworten:

Ich habe eine Weile gebraucht, bis mir klar wurde, dass ich nicht für alles verantwortlich sein muss. Wenn es heute Probleme oder Entscheidungsnotwendigkeiten gibt, dann teile ich diese immer in meinem Team. Und dann schauen wir, wie wir damit umgehen. Ich bin im Grunde ein Moderator, der sich aktiv einbringt. Klar, manchmal wenn die Zeit drängt, entscheide ich selbst, aber das ist eher die Ausnahme und meine Leute wissen das“.

Diese Antwort hat eher partnerschaftlichen Charakter.

Nun wage ich eine Hypothese: Führungskräfte, die eindeutig und klar „bossy“ oder partnerschaftlich antworten, sind tendenziell wirksamer und erfolgreicher als jene Führungskräfte, die „irgendwie“ antworten. Erfolgreiche und wirksame Führung setzt ein klares Führungsverständnis voraus, eine Idee davon, was die eigene Führungsrolle im Kern ausmacht, eine Art „Default Setting“. Ob nun die letzten beiden Antworten richtige oder geeignete Führungsverständnisse widerspiegeln, kann man pauschal sicher nicht sagen. Dies hängt wiederum von den dauerhaften Rahmenbedingungen, der so genannten Führungsumwelt ab.

Als Führungskräfte sollten wir nie aufhören, mit uns und unserer Rolle zu hadern. Die Dinge sind zu komplex und voller Dilemmata, als dass wir uns jemals wirklich sicher sein können. Wie ist meine Führungsumwelt beschaffen? Welche Führungsrollen sollte ich primär und sekundär einnehmen? Was passt zu meiner Persönlichkeit? Was sind die Erwartungen meiner Geführten? Wie gehe ich konkret mit bestimmten Führungssituationen um? Die Antworten sind nie einfach. Aber es ist sicherlich besser, sich diesen Fragen kontinuierlich zu stellen, als sich intuitiv treiben zu lassen.

Falls Sie auch Führungskraft sind: Wie führen Sie? Teilen Sie die Ansicht, dass es grundsätzlich besser ist, ein klares Führungsverständnis zu haben anstatt irgendwie zu führen?

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BLOG Die Führungskraft als Coach

Die Führungskraft als Coach

Nicht erst seit gestern diskutieren wir die Frage, was es bedeutet, wenn eine Führungskraft in der Rolle des Coaches agiert. Viel ist dazu gesagt worden, nicht nur zur Frage, wie sich eine Führungskraft in dieser Rolle verhält, sondern auch wo die Chance und Grenzen dieses Rollenverständnisses zu sehen sind. Auf die Vielschichtigkeit dieser interessanten Fragestellungen will ich an dieser Stelle nicht eingehen, sondern möchte mich vielmehr auf die Rolle an sich konzentrieren.

Beginnen wir daher mit einem einfachen Quiz. Im Folgenden sind ausgewählte Verhaltensweisen aufgelistet. Welche Verhaltensweisen gehören zu dieser Rolle und welche nicht?

  1. Vermittelt als Lehrer Kompetenzen
  2. Stärkt den Rücken und motiviert
  3. Fordert zum eigenständigen Reflektieren auf
  4. Führt durch herausfordernde Fragen
  5. Gibt strukturiertes Feedback
  6. Gibt als Mentor Rat und Hilfestellungen
  7. Überlässt oder überträgt Verantwortung
  8. Stärkt die Selbstreflexion
  9. Unterstützt bei der Entwicklung von Lösungen
  10. Stärkt den Gruppenzusammenhalt

Gefühlt klingt irgendwie alles gut. Wenn wir aber von der Führungskraft als Coach reden, sollten wir eine Sprachverwirrung oder das hemmungslose Überladen einer Rolle besser vermeiden. Ich denke, wir täten gut daran, unterschiedliche Rollen auseinanderhalten, auch weil sie mit unterschiedlichen und zum Teil inkompatiblen Verhaltensweisen einhergehen.

Hier hilft ein Blick in die wissenschaftliche Literatur.

Die wissenschaftliche Literatur ist in der Verwendung des Begriffs „Coach“ nicht eindeutig. Wir haben das kürzlich analysiert (1). Aus mehreren 1000 Quellen haben wir schrittweise Artikel ausgewählt und landeten schließlich bei 37 Peer-Review-Artikel, die auf elaborierte Weise, klare und begründete Definitionen lieferten. Anschließend haben wir diese Definitionen inhaltlich analysiert und entsprechende Cluster gebildet. Das Ergebnis ist ziemlich eindeutig: Es gibt zwei Arten der begrifflichen Abgrenzung. Zunächst will ich sie einfach nur „Coach 1“ und „Coach 2“ nennen.

Coach 1 vermittelt als Lehrer Kompetenzen (1), stärkt den Rücken und motiviert (2), gibt strukturiertes Feedback (5), gibt als Mentor Rat und Hilfestellungen (6), stärkt die Selbstreflexion (8), unterstützt bei der Entwicklung von Lösungen (9) und stärkt den Gruppenzusammenhalt (10). Diese Rolle der Führungskraft beschreibt den Coach als eine Art Förderer, Trainer, Mentor oder aktiver Unterstützer. Die Führungskraft übernimmt Verantwortung für die Leistungsfähigkeit der Geführten. Wenn etwa im Sport von einem „Coach“ die Rede ist, dann ist primär diese Vorstellung gemeint. Ich bezeichne diese Rolle als Befähiger. Sie unterscheidet sich fundamental von den Inhalten der zweiten Coach-Definition.

Coach 2 fordert zum eigenständigen Reflektieren auf (3), führt durch herausfordernde Fragen (4) und überlässt oder überträgt Verantwortung (7). Dieses Verständnis des Coaches beschreibt eine Führungskraft, die Verantwortung an die Geführten überträgt und zum eigenständigen Reflektieren in Bezug auf Entscheidungen, Ideen oder Problemlösungen nicht nur anregt, sondern dies aktiv einfordert. In Abgrenzung zur Rolle des Befähigers bezeichne ich diese Rolle als den eigentlichen Coach.

Die Aktivitäten von Coach oder Befähiger werden von den Betroffenen meist sehr unterschiedlich erlebt. Auch wenn es Coachees nicht laut sagen, ist es außerordentlich anstrengend, von einem Coach geführt zu werden. Man trägt echte Verantwortung, muss reflektieren, nachdenken, ist gefordert. Man geht mit großen Fragezeichen durch die Welt und spürt den Druck, eigenständig Antworten, Ideen oder Lösungen liefern zu müssen.

Von einem Befähiger geführt zu werden ist hingegen wunderbar. Geführte finden sich sozusagen in einem Kunden-Lieferanten-Verhältnis wieder. Der Mitarbeiter als eine Art Kunde seiner Führungskraft. Man wird gefördert, unterstützt, erfährt die Rahmenbedingungen, die man braucht, um eine gute Leistung zu erbringen. Von „dienender Führung“ ist in diesem Zusammenhang gerne die Rede.

Deshalb bin ich bereits vor Jahren dazu übergegangen, in meinem Führungsrollenmodell diese Rollen zu unterscheiden. Es hat sich gezeigt, dass Führungskräfte sehr gut damit zurechtkommen, diese Rollen auseinanderzuhalten. Da gibt es zum Beispiel den Meister, der durchaus die Rolle des Befähigers annimmt, aber niemals Coachen würde. Oder da gibt es den Entwicklungsleiter, der sich primär in der Rolle des Coaches sieht, aber nur marginal die Rolle des Befähigers übernimmt.

Ich weiß, das ist eine sehr kontroverse Angelegenheit. Aber darüber nicht zu sprechen und bei jeder beliebigen Definition, reflexartig zu nicken, führt uns auch nicht weiter.

(1) Diese Analyse war Teil einer Bachelorarbeit an der Hochschule Furtwangen, eingereicht im Jahr 2022 durch Marigona Nimani: Die Führungskraft in der Rolle des Coachs: Ein schematischer Ansatz zur Kategorisierung der wissenschaftlichen Definitionen.

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