Die Führungskraft als Coach

Nicht erst seit gestern diskutieren wir die Frage, was es bedeutet, wenn eine Führungskraft in der Rolle des Coaches agiert. Viel ist dazu gesagt worden, nicht nur zur Frage, wie sich eine Führungskraft in dieser Rolle verhält, sondern auch wo die Chance und Grenzen dieses Rollenverständnisses zu sehen sind. Auf die Vielschichtigkeit dieser interessanten Fragestellungen will ich an dieser Stelle nicht eingehen, sondern möchte mich vielmehr auf die Rolle an sich konzentrieren.

Beginnen wir daher mit einem einfachen Quiz. Im Folgenden sind ausgewählte Verhaltensweisen aufgelistet. Welche Verhaltensweisen gehören zu dieser Rolle und welche nicht?

  1. Vermittelt als Lehrer Kompetenzen
  2. Stärkt den Rücken und motiviert
  3. Fordert zum eigenständigen Reflektieren auf
  4. Führt durch herausfordernde Fragen
  5. Gibt strukturiertes Feedback
  6. Gibt als Mentor Rat und Hilfestellungen
  7. Überlässt oder überträgt Verantwortung
  8. Stärkt die Selbstreflexion
  9. Unterstützt bei der Entwicklung von Lösungen
  10. Stärkt den Gruppenzusammenhalt

Gefühlt klingt irgendwie alles gut. Wenn wir aber von der Führungskraft als Coach reden, sollten wir eine Sprachverwirrung oder das hemmungslose Überladen einer Rolle besser vermeiden. Ich denke, wir täten gut daran, unterschiedliche Rollen auseinanderhalten, auch weil sie mit unterschiedlichen und zum Teil inkompatiblen Verhaltensweisen einhergehen.

Hier hilft ein Blick in die wissenschaftliche Literatur.

Die wissenschaftliche Literatur ist in der Verwendung des Begriffs „Coach“ nicht eindeutig. Wir haben das kürzlich analysiert (1). Aus mehreren 1000 Quellen haben wir schrittweise Artikel ausgewählt und landeten schließlich bei 37 Peer-Review-Artikel, die auf elaborierte Weise, klare und begründete Definitionen lieferten. Anschließend haben wir diese Definitionen inhaltlich analysiert und entsprechende Cluster gebildet. Das Ergebnis ist ziemlich eindeutig: Es gibt zwei Arten der begrifflichen Abgrenzung. Zunächst will ich sie einfach nur „Coach 1“ und „Coach 2“ nennen.

Coach 1 vermittelt als Lehrer Kompetenzen (1), stärkt den Rücken und motiviert (2), gibt strukturiertes Feedback (5), gibt als Mentor Rat und Hilfestellungen (6), stärkt die Selbstreflexion (8), unterstützt bei der Entwicklung von Lösungen (9) und stärkt den Gruppenzusammenhalt (10). Diese Rolle der Führungskraft beschreibt den Coach als eine Art Förderer, Trainer, Mentor oder aktiver Unterstützer. Die Führungskraft übernimmt Verantwortung für die Leistungsfähigkeit der Geführten. Wenn etwa im Sport von einem „Coach“ die Rede ist, dann ist primär diese Vorstellung gemeint. Ich bezeichne diese Rolle als Befähiger. Sie unterscheidet sich fundamental von den Inhalten der zweiten Coach-Definition.

Coach 2 fordert zum eigenständigen Reflektieren auf (3), führt durch herausfordernde Fragen (4) und überlässt oder überträgt Verantwortung (7). Dieses Verständnis des Coaches beschreibt eine Führungskraft, die Verantwortung an die Geführten überträgt und zum eigenständigen Reflektieren in Bezug auf Entscheidungen, Ideen oder Problemlösungen nicht nur anregt, sondern dies aktiv einfordert. In Abgrenzung zur Rolle des Befähigers bezeichne ich diese Rolle als den eigentlichen Coach.

Die Aktivitäten von Coach oder Befähiger werden von den Betroffenen meist sehr unterschiedlich erlebt. Auch wenn es Coachees nicht laut sagen, ist es außerordentlich anstrengend, von einem Coach geführt zu werden. Man trägt echte Verantwortung, muss reflektieren, nachdenken, ist gefordert. Man geht mit großen Fragezeichen durch die Welt und spürt den Druck, eigenständig Antworten, Ideen oder Lösungen liefern zu müssen.

Von einem Befähiger geführt zu werden ist hingegen wunderbar. Geführte finden sich sozusagen in einem Kunden-Lieferanten-Verhältnis wieder. Der Mitarbeiter als eine Art Kunde seiner Führungskraft. Man wird gefördert, unterstützt, erfährt die Rahmenbedingungen, die man braucht, um eine gute Leistung zu erbringen. Von „dienender Führung“ ist in diesem Zusammenhang gerne die Rede.

Deshalb bin ich bereits vor Jahren dazu übergegangen, in meinem Führungsrollenmodell diese Rollen zu unterscheiden. Es hat sich gezeigt, dass Führungskräfte sehr gut damit zurechtkommen, diese Rollen auseinanderzuhalten. Da gibt es zum Beispiel den Meister, der durchaus die Rolle des Befähigers annimmt, aber niemals Coachen würde. Oder da gibt es den Entwicklungsleiter, der sich primär in der Rolle des Coaches sieht, aber nur marginal die Rolle des Befähigers übernimmt.

Ich weiß, das ist eine sehr kontroverse Angelegenheit. Aber darüber nicht zu sprechen und bei jeder beliebigen Definition, reflexartig zu nicken, führt uns auch nicht weiter.

(1) Diese Analyse war Teil einer Bachelorarbeit an der Hochschule Furtwangen, eingereicht im Jahr 2022 durch Marigona Nimani: Die Führungskraft in der Rolle des Coachs: Ein schematischer Ansatz zur Kategorisierung der wissenschaftlichen Definitionen.

Mein Ansatz im Überblick

Hier finden Sie einen Überblick über meinen Ansatz. Er ist erprobt und funktioniert. Führungskräfte schätzen ihn.

Vier Führungsrollen

Führungskräfte können vier distinkte Rollen einnehmen: Boss, Coach, Partner und, oder Befähiger.

Mein Buch zum Ansatz

In diesem Buch beschreibe ich meinen Ansatz wirksamer Führung. Das Buch liefert keine Antwort auf die Frage, was das „richtige Führungsverständnis“ ist. Es zeigt aber einen Weg wie man es entwickelt, vermittelt und danach handelt.