Warum und wie Mitarbeiter kündigen

Ich bin sie leid, all diese Studien, die erklären, warum Mitarbeiter freiwillig ihren aktuellen Arbeitgeber verlassen. Sie unterstellen, Mitarbeiter seien auf der Flucht. Deshalb wird meist nach Gründen gefragt, die beim aktuellen Arbeitgeber selbst zu suchen seien: kaum Perspektiven, zu wenig Wertschätzung, zu wenig Lohn, schlechte Führung usw. usw. Implizit gehen diese Studien davon aus, Mitarbeiter würden ihr Unternehmen verlassen. Technisch tun sie das auch. Aber vielleicht gehen die Mitarbeiter nicht weg, sondern irgendwo hin. Warum? Nicht selten deshalb, weil sie Verantwortung für ihr Leben und ihre Karriere übernehmen.

Nehmen wir mein eigenes Beispiel. 2005 wurde ich oft gefragt, warum ich SAP verlassen hätte. Meine Antwort: „Ich habe SAP nicht verlassen. Ich wollte Professor werden und beides gleichzeitig geht leider nicht. Ich bin nicht von SAP weg, sondern zur Hochschule hin. SAP an sich ist ein super Arbeitgeber und meinen Job habe ich geliebt“.

Natürlich gibt es sie auch, jene Mitarbeiter, die vor allem eines wollen: weg. Grundsätzlich sollten wir aber unterscheiden, ob der aktuelle Job oder die Alternative der Antrieb der Kündigung ist.

Unabhängig davon gibt es Menschen, die bei Ihrer Kündigung intuitiv bzw. emotional entscheiden. Sie handeln aus einem Gefühl heraus und machen sich möglicherweise wenig oder zu wenig Gedanken über ihren Karriereschritt. Aber ist gibt auch jene, die rational entscheiden. Sie machen es sich nicht leicht, hadern mit ihrer Entscheidung, denken nach, wägen ab. Aber am Ende treffen sie ihre Entscheidung bewusst.

Kombiniert man nun diese beiden Dimensionen, dann ergeben sich daraus vier Strategien der Kündigungsentscheidung. Es ist wichtig, diese zu differenzieren, weil sich daraus sehr unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber ergeben.

Flucht. Ein Mitarbeiter entscheidet intuitiv, emotional, dass er oder sie wegwill. Alles andere ist besser als ein weiterer Tag im aktuellen Job. Hier treiben die Verzweiflung und der Frust. Die Lösung? Rechtzeitig Verständnis zeigen und überlegen, was man an den Arbeitsbedingungen verbessern kann.

Strategie. Ein Mitarbeiter macht sich tiefgreifende Gedanken über seine Zukunft und entscheidet sich bewusst dafür, dass ein Wechsel in einen anderen Job, in einem anderen Land, in einer anderen Branche wertvoll für seinen Karriereweg sei. Die entsprechende Alternative erscheint dafür als das sinnvollste, was dieser Mitarbeiter tun kann und soll. Eine mögliche Lösung? Diesen Mitarbeiter zu seiner wohlüberlegten Entscheidung beglückwünschen, alles Gute mit auf den Weg geben und auf jeden Fall in Kontakt bleiben.

Lösung. Manchmal können Mitarbeiter (vielleicht aus privaten Gründen) einen Job nicht mehr ausüben. Die Rahmenbedingungen passen nicht oder nicht mehr. Zu wenig Flexibilität, zu lange Anfahrtszeiten, das Geld reicht nicht. Der Mitarbeiter ringt um eine Lösung und sieht den einzigen Weg darin, den Job zu verlassen. Das Ganze ist gut überlegt. Eine mögliche Lösung? Intern eine machbare Lösung für den Mitarbeiter finden.

Exploration. Ein Mitarbeiter fühlt sich von einem alternativen Job-Angebot irgendwie angezogen. Es fühlt sich gut an. Er oder sie hat Angst, eine super Möglichkeit zu verpassen und ist getrieben von der Alternative. Eine starke Arbeitgebermarke, die Leute dort waren total nett, man fühlt sich geschmeichelt usw. Gefühle dominieren über das rationale Denken. Eine mögliche Lösung? Einen gewinnenden, charmanten Gegenvorschlag anbieten.

Das Thema Mitarbeiterbindung ist derzeit zurecht in aller Munde. Nicht zuletzt deshalb lohnt es sich, weniger nur an sich als Arbeitgeber zu denken und sich aus egozentrischem Selbstmitleid heraus zu fragen: „Was haben wir nur falsch gemacht?“. Vielleicht sollten wir besser die Mitarbeiter erstnehmen und ihre wahren Gründe und Entscheidungswege begreifen.

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