Und für die Tochter zu Weihnachten einen Werkzeugkasten

Frauen sind in technischen Berufen deutlich unterrepräsentiert. Wir wissen und bedauern das. In der öffentlichen Debatte werden hierfür sehr unterschiedliche Erklärungen vorgebracht. Eine verbreitete Erklärung besagt, Jungs würden männlich erzogen, erhielten technisches Spielzeug, während Mädchen mittels Puppen ihre stereotype, weibliche Rolle zugewiesen würde. Die Folge wäre eine frühzeitige und unwiderruflich Prägung auf gendertypische Präferenzen. Diese sozialkonstruktivistische Sichtweise basiert auf dem Verständnis, wonach Mädchen und Jungen von Geburt an eigentlich keine Unterschiede in ihren Präferenzen für Dinge versus Menschen aufzeigen. Sie seien ein leeres Blatt, das durch die Erziehung und die Gesellschaft gefüllt würde. Würde man also Mädchen bereits in frühen Jahren mit technischem Spielzeug beglücken, dann könnten Sie ihre Liebe zu Dingen erkennen und später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit technische Berufe anstreben.

Deshalb kursiert in der öffentlichen Debatte der Vorschlag, man möge Mädchen an Weihnachten unabhängig von ihren artikulierten Wünschen technisches Spielzeug schenken. Dies wird dann im selben Atemzug als kleiner Beitrag zur lang ersehnten Gleichstellung von Mann und Frau gepriesen und bejubelt. Wenn Sie das tun, dann wundern Sie sich bitte nicht, wenn Ihre Tochter den Werkzeugkasten dazu nutzt, sich eine Puppenstube zu bauen.

Die Kreativität der Kinder ist größer als die ideologisch geprägte Ignoranz ihrer Eltern. Man kann sich in vielen wissenschaftlichen Sichtweisen uneins sein. Die Annahme aber, es gäbe zwischen Männern/Jungen einerseits und Frauen/Mädchen andererseits keinen angeborenen, biologischen und verhaltensrelevanten Unterschied ist wissenschaftlich nicht haltbar. Die Evidenz für das Gegenteil ist erdrückend. Wer dies dennoch behauptet, stellt sich auf eine ähnliche Stufe mit jenen, die Corona als eine normale Grippe und den Klimawandel als nicht menschgemacht erachten. Männer und Jungen haben eine angeborene Präferenz für Dinge. Frauen und Mädchen haben eine angeborene Präferenz für Menschen. Dies ist eine allgemeine Tendenz und gilt nicht notwendigerweise für das einzelne Mädchen oder den einzelnen Jungen. Erhebliche Unterschiede machen sich aber an den Extremen der Verteilung bemerkbar. Wenn man die am meisten an Technik interessierten Menschen betrachtet sind dies mit hoher Wahrscheinlichkeit Jungen bzw. Männer. Dies kann als ein Grund gesehen werden, warum in technischen Studiengängen ebenso wie in Vorständen von Tech-Unternehmen vorwiegend Männer zu finden sind.

Nun würde ich es mir sehr wünschen, wenn Mädchen und Frauen ihren freiwilligen Zugang zu technischen Berufen fänden. Das schaffen wir aber nicht, indem wir versuchen, die Natur außer Kraft zu setzen. Lasst Mädchen Mädchen sein und Frauen Frauen. Ihre Tochter sollte sich nicht schämen, wenn sie gerne mit Puppen und Tieren spielt. (Unfassbar, dass ich mich veranlasst sehe, diesen Satz überhaupt zu schreiben.) Um es etwas ironisch, sarkastisch auszudrücken: wenn Sie wollen, dass Ihre Tochter männlicher wird, dann schenken Sie ihr keinen Werkzeugkasten sondern mischen Sie Testosteron in die Weihnachtsplätzchen.

Vielmehr schaffen wir es, in dem wir den Unterschied zwischen Technik und Mensch verringern bzw. die Schnittmenge zwischen Mensch und Technik in den Vordergrund rücken. Digitalisierung ist in erheblichem Maße eine menschliche Angelegenheit. Ob Technik angenommen wird, ist auch ein Aspekt des menschlichen Verhaltens. Wirtschaft ist Psychologie und damit die Summe menschlichen Erlebens und Verhaltens. Viele Frauen gehen ins Personalwesen, weil sie glauben, dort mit Menschen zu tun zu haben und beschäftigen sich dann mit Prozessen, Systemen und Kennzahlen. Wer im Business mit Menschen zu tun haben will, sollte eher in den Vertrieb gehen, auch wenn es um technische Produkte und Dienstleitungen geht. Nur hat sich das bislang kaum herumgesprochen. Wenn ich vor Vertrieblern in technischen Industrien Vorträge halte, stehe ich fast ausschließlich Männern gegenüber. Schade eigentlich.

An meiner Hochschule in Furtwangen sind wir bereits erfolgreiche Wege gegangen. Wir haben Technik und Wirtschaft mit Kultur und Sprachen verknüpft, Wirtschaft mit Psychologie. Es ist großartig und wird sehr gut angenommen. Es gibt viele Mädchen, die sich auf natürliche Weise für Technik interessieren. Das ist wunderbar und soll gefördert werden, so wie jedes individuelle Talent förderungswürdig ist. Diversity ist am Ende gleichbedeutend mit der Wertschätzung von Individualität und hat weniger damit zu tun, Menschen zur Technikaffinität zu zwingen nur weil sie weiblich sind.