Was wir von Voice-of-Germany über Mentoring lernen können

Finanzvorstand Dr. Pfister lässt eines Tages folgende Nachricht an Bernd Heifert verfassen: „Lieber Herr Heifert, wie Sie sicherlich schon von Ihrem Vorgesetzten erfahren haben wurde ich als Ihr Mentor bestimmt. Bitte setzen Sie sich mit meiner Assistentin in Verbindung und lassen Sie sich in den kommenden Wochen einen Termin geben. Alles Weitere werden wir dann besprechen. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit“.
Bernd wurde vor wenigen Tagen als Führungsnachwuchskraft, oder so genannter „High-Potential“ auserwählt. Er wusste bereits von einem Mentorenprogramm. Dass nun ausgerechnet der Finanzvorstand sein Mentor sein wurde überraschte ihn ein wenig. Er kannte ihn bislang nur von Bildern aus der internen Firmenzeitschrift. Bernd lies die Dinge auf sich zukommen und war gespannt.

Szenenwechsel. Anna ist leidenschaftliche Sängerin und steht eines Tages auf einer Bühne um ihr Talent unter Beweis zu stellen. Vor ihr sitzen fünf potenzielle Mentoren, die sie aber nicht sehen können. Während Anna singt muss jeder der potenziellen Mentoren für sich entscheiden, ob er an Anna glaubt oder nicht. Wenn dies das Fall ist drückt er einen Buzzer und bekommt Anna zu Gesicht. Am Ende entscheidet sie, welcher der Mentoren, sie bei dem weiteren Talentwettbewerb unterstützen darf.

Die Rede ist von der Fernsehshow „Voice of Germany“. Diese Show demonstriert eindrücklich, wie erfolgreiches Mentoring funktioniert. Beide Seiten – der Mentor und der Mentee – müssen sich bewusst füreinander entscheiden und aneinander glauben.

Unzählige, gut gemeinte Mentorenprogramme in Unternehmen haben gezeigt, dass eine formelle oder gar zufällige Zuordnung von Mentoren und Mentees wie in Bernd’s Fall nicht funktioniert. Sie werden zur Farce. Dies überrascht auch nicht, wenn man bedenkt, was ein erfolgreicher Mentor tut bzw. tun sollte. Ein guter Mentor setzt sich intensiv mit seinem Mentee auseinander, erkennt Stärken, Schwächen und Potenziale. Er gibt väterlichen Rat, öffnet Türen zu beruflichen Möglichkeiten und relevanten Netzwerken. Vor allem stärkt er seinem Schützling den Rücken, baut ihn auf. All dies funktioniert nur, wenn beide Seiten 100%ig aneinander glauben, sich gegenseitig vertrauen und voneinander profitieren.

Was ist, wenn Bernd seinen Mentor Dr. Pfister nicht mag oder ihn nicht als Vorbild anerkennt? Oder umgekehrt: was ist, wenn Dr. Pfister an Bernd nicht wirklich glaubt, ihn gar unsympathisch findet? Es wird das eine oder andere Meeting geben. Dr. Pfister wird seine Pflicht erfüllen und Bernd wird seinerseits nicht ablehnen können. Beide können sich die Zeit eigentlich sparen – außer sie haben Glück und der Zufall hat es gut mit ihnen gemeint.

Da helfen auch keine ausgeklügelten Matchingmethoden aus dem Personalmanagementlehrbuch. Egal, wie viel die Personalabteilung über beide Seiten weiß, sie ist niemals in der Lage Erfolg versprechende Zuordnungen vorzunehmen und aus der Distanz funktioniereden Mentoren-Mentee-Beziehungen aufzubauen. Sie kann aber Gelegenheiten schaffen, damit sich beide Seiten kennenlernen und finden können.

Ich würde mir in Unternehmen deshalb etwas mehr Voice of Germany wünschen. Gerade mittelständische Unternehmen haben aufgrund ihrer Größe die besondere Chance, potenzielle Nachwuchskräfte „antanzen“ zu lassen. Jeder Hoffnungsträger darf 20 Minuten vor der Geschäftsführung präsentieren. Danach ringen die Mitglieder der Geschäftsleitung darum, wer welchen Kandidaten unterstützen darf. Am Ende entscheidet der Kandidat. Sollte kein Mitglied der Geschäftsleitung an einen bestimmten Kandidaten glauben ist dieser raus aus dem Nachwuchsprogramm. Er hätte langfristig ohnehin keine Chance, in den engeren Kreis von Nachfolgekandidaten für Spitzenpositionen zu gelangen.