WARUM ES WENIGER FRAUEN IN TECHNIK­BERUFEN GIBT UND WAS WIR DAGEGEN TUN KÖNNEN

Es gibt einen Befund in der wissenschaftlichen Psychologie, der so robust ist, wie kaum ein anderer. Demnach interessieren sich Männer mehr für Dinge und Frauen mehr für Menschen. Technik hat mit Dingen zu tun. Deshalb wundere ich mich nicht, dass in einer meiner Domänen (HR) Frauen deutlich in der Überzahl sind. Darüber hinaus weiß jeder ernstzunehmende, wissenschaftlich gebildete Psychologe, Ethologe oder Biologe, dass dieser Unterschied in erster Linie genetisch bedingt ist.

Tatsächlich aber ist dieser Unterschied im Durchschnitt eher marginal. Wenn man einen Mann vor sich hat, dann kann mit einer Treffsicherheit von 60% vorhersagen, dass sich diese Person eher für Dinge oder für Technik interessiert. Es sind 60% und nicht 80, 90 oder gar 100%. Die Behauptung also, Frauen würden sich pauschal nicht für Technik interessieren, wäre falsch oder gar sexistisch. Bei den kognitiven Voraussetzungen gibt es zudem keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, beispielsweise in Bezug auf Intelligenz. Vertreter beider Geschlechter wären in Technikberufen gleich kompetent. Wir können eher beobachten, dass in der Schule Mädchen in Fächern wie Mathe oder Physik zunehmend besser abschneiden als ihre männlichen Altersgenossen. Umso tragischer ist es, dass so wenige Frauen ihren Weg in Technikberufe finden.

Nun sind Menschen von Natur aus divers. Sie unterscheiden sich. Als Wissenschaftler drücken wir das so aus: Die Intragruppenvarianz innerhalb einer Geschlechtergruppe ist groß. Das bedeutet, dass es erhebliche Unterschiede in Bezug auf das Interesse an Technik innerhalb der Gruppe der Frauen als auch in der Gruppe der Männer gibt. Es gibt sehr viele Frauen, die sich für Technik interessieren. Auch gibt es viele Männer, die sich eher für Menschen interessieren. Ich bin einer davon (bin Psychologe).

Interessant sind nun die Extreme in der Verteilung. Um sich beispielsweise für ein Studium der Ingenieurswissenschaften oder der Informatik zu entscheiden, sollte man sich für Technik interessieren. Das sollte uns nicht überraschen. Ingenieure interessieren sich eben für Technik. Und wenn sie das nicht täten, würden sie vermutlich keine erfolgreichen Ingenieure. Auch würden sie wahrscheinlich geringere Aussichten haben, in technikdominierten Disziplinen in eine Führungsposition zu gelangen. Auch das sollte uns nicht besonders überraschen.

Aber nun kommt der entscheidende Punkt. Schaut man sich die Extreme zweier überlappender Verteilungen an, dann findet man in diesen Extremausprägungen vorwiegend Männer oder vorwiegend Frauen, je nachdem auf welche Seite der Verteilung man blickt (siehe Abbildung). Umso stärker das Interesse an Technik, desto größer wird der Männeranteil, und umgekehrt. Diejenigen, die sich am allerwenigsten für Technik interessieren, sind vorwiegend Frauen. Während wir also im Durchschnitt einen marginalen Unterschied sehen, erkennen wir in den extremen Bereichen erhebliche Häufigkeitsunterschiede zwischen den Geschlechtern.

Das ist aus psychologischer, wissenschaftlicher Sicht die unbestrittene Erklärung dafür, warum es weniger Frauen in Technikberufen gibt und warum sich dieser Umstand auch in Zukunft kaum ändern wird, es sei denn, wir bemühen uns darum, die menschliche Seite in Technikberufen hervorzuheben.

Wir praktizieren das an unserer Hochschule seit Jahren erfolgreich. Beispielsweise haben wir einen Ingenieurstudiengang mit interkulturellen Fragestellungen angereichert. Sprachen, interkulturelle Zusammenarbeit usw. Der Studiengang heißt International Engineering und hat einen überdurchschnittlich hohen, glücklichen, kompetenten Frauenanteil. Alle Absolventen gehen erfolgreich ihren Weg. Das finde ich lösungsorientiert, unideologisch, innovativ, großartig. So ticken wir hier, im mittelstandsgeprägten Schwarzwald.

Natürlich können in Bezug auf die ungleiche Geschlechterverteilung in Technikberufen auch andere Gründe aufgeführt werden: Vorurteile gegenüber Frauen, Diskriminierung, Unterdrückung der marginalisierten, weiblichen Minderheit durch patriarchalische, männerdominierte Strukturen, eine geringer ausgeprägte Selbstwirksamkeit aufseiten der Frauen, weil sie sich tendenziell weniger zutrauen, frühe, geschlechterstereotype Sozialisierung usw. Zu all den Argumenten gäbe es viel zu sagen, was ich an dieser Stelle nicht tun möchte. Wir können uns empören, Gendern, auf die Straße gehen, Quoten etablieren, einen pauschalen Post nach dem anderen über vermeintliche Ungerechtigkeiten raushauen. Viel Glück damit.

Wichtig scheint mir, auf die oben dargestellte, statistische, wissenschaftlich fundierte Erklärung hinzuweisen und dazu einzuladen, Lösungen zu suchen, die der sozialen Realität gerecht werden. Meines Erachtens wird dieser wissenschaftliche Gedanke in der öffentlichen Debatte zu sehr ignoriert oder gar ideologisch geleugnet.