Warum „Die richtigen Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz“ ein gefährlicher Ansatz ist

Es gibt seit Jahrzehnten eine Definition von Personalmanagement, die sich nicht nur in fast allen Lehrbüchern wiederfindet, sondern auch in den Personalstrategien zahlreicher Unternehmen. Millionen von Studenten haben diese Definition auswendig gelernt. Sie bildet heute das Kernverständnis der Mehrheit im HR beschäftigten Kollegen. „Personalmanagement hat zum Ziel, in der Organisation die richtigen Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz sicher zu stellen“. Punkt.

Und deshalb werden die richtigen Mitarbeiter angesprochen, ausgewählt und eingestellt. Sie werden im Unternehmen platziert, versetzt und befördert. Wo nötig werden die Mitarbeiter entwickelt, ein Grund weswegen Mitarbeiter regelmäßig beurteilt werden. All dies tun wir mit den Mitarbeitern, damit das von einem genialen Schöpfer gestaltete organisatorische Uhrwerk perfekt zusammengesetzt ist und dauerhaft rund läuft.

Dieses Verständnis muss für jeden Mitarbeiter, der nicht im Personalbereich arbeitet zutiefst verstörend sein. Strategisch halte ich diese Sichtweise sogar für äußerst gefährlich. Für immer mehr Unternehmen ist dieser Ansatz schlichtweg falsch. Der Grund ist einfach.

Hier eine kleine Auswahl: Was ist meine nächste Herausforderung, mein nächstes Projekt? Wie kann ich Berufliches und Privates vereinbaren? Wie kann ich Feedback geben und erhalten? Wie kann ich zum Erfolg beitragen? Was erwarten andere von mir? Was ist mein Talent und wie kann ich es entfalten? Welche alternativen Aufgaben könnten zu mir passen?

Aber auch so einfache Dinge, wie: Wer kann meine Schicht übernehmen? Wie finde und buche ich eine Schulung? Wer hat das Wissen, das ich jetzt benötige? Wie kann ich einen Freund empfehlen, hier zu arbeiten? Wie kann ich mein Wissen teilen?

Auch Bewerber haben Fragen: Warum soll ich ausgerechnet in diesem Unternehmen arbeiten? Wie kann ich mich bewerben? Was ist der Status meiner Bewerbung? Passt das Unternehmen zu mir?

Eine Fokussierung auf „der richtige Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz“ führt unweigerlich dazu, sich mehr auf die Unternehmensbedarfe zu konzentrieren als auf die Mitarbeiter. Eine Strategie, die in Zeiten der Digitalisierung, des demografischen und gesellschaftlichen Wandels gefährlich sein kann. Wer sich aber an den Fragen der Mitarbeiter orientiert wird ein anderes Personalmanagement betreiben, als wer sich an Unternehmensbedarfen orientiert. Erst dann stellt man Mitarbeiter wirklich in den Mittelpunkt und behandelt sie als „das wichtigste Gut“. Sich an Unternehmensbedarfen zu orientieren ist grundsätzlich in Ordnung. Nur, man muss es sich leisten können. Wie viele Unternehmen haben sich darüber wohl schon Gedanken gemacht?