Vom täglichen Kampf des Coach gegen seinen Boss

Es gibt eine einfache Wahrheit, wonach eine agile Transformation niemals gelingt, wenn der CEO dies nicht aus tiefster Überzeugung will. Leser, die zu einer agilen Transformation in ihrem Unternehmen beitragen wollen, aber zugleich feststellen, dass ihr CEO nicht hinter diesem Thema steht können dieses Thema abhaken. Es hat einfach keinen Sinn. Man muss die Dinge in dieser Klarheit und Härte sehen, auch wenn die hohe Bedeutung des CEO auf den ersten Blick etwas hierarchisch anmutet. Wir beobachten sehr häufig, dass agil denkende Führungskräfte an ihrem hierarchisch ausgerichteten, organisationalen Überbau scheitern. In letzter Konsequenz ist hierfür der CEO verantwortlich.

Ein Beispiel aus dem Alltag mag dies verdeutlichten.

Der agil denkende und operierende Product Owner im Sinne von Scrum beispielsweise wird ein schweres Leben haben, wenn sein Chef ein Boss ist. Der Product Owner trägt die Verantwortung für die Entwicklung eines Produkts agiert aber aus einer moderierenden Rolle heraus. Er ist mehr Coach und Partner als Boss. Während er und sein Team nichts als die Kundenbedürfnisse im Blick haben, erwartet der Boss Reports und gibt Weisungen für Dinge, von denen er nur begrenzt Ahnung hat. In Konstellationen wie diesen wird der übergeordnete Boss zum größten Hindernis.

Umgekehrt werden Product Owner in einem solchen Setting alle Hände voll zu tun haben, ihr Team und dessen Arbeit vor dem Boss zu schützen. Um es noch plastischer auszudrücken, hier ein typischer Dialog zwischen einem Product Owner (PO) und einem übergeordneten Abteilungsleiter (AL):

AL: Schicken Sie mir bitte bis Ende des Monats einen Statusreport all Ihrer Projekte? Sie wissen ja, schön mit Ampeln und so . . .

PO: Wozu?

AL: Der Hauptabteilungsleiter [der Chef des AL] hat darum gebeten.

PO: Warum?

AL: Hat er nicht gesagt. Er will sie haben und deshalb bekommt er sie. So läuft das nun mal.

PO: Was, wenn ich das nicht einsehe?

AL: Dann habe ich ein Problem. Und das wollen Sie nicht, oder?

PO: Fragen Sie ihn wenigstens, wofür er die Berichte braucht. Und sagen Sie ihm bei der Gelegenheit, dass Berichteschreiben von unseren Kunden weder erwartet noch bezahlt wird.

AL: Ich hinterfrage keine Weisungen meines Vorgesetzen.

PO: Dann lassen Sie mich mit ihm reden.

AL: Das lässt mich schlecht aussehen. Sie tun das deshalb nicht.

PO: OK, dann sagen Sie ihm, wir würden uns über sein Interesse an unseren Projekten sehr freuen und er sei gerne jederzeit eingeladen an einem der kommenden Sprints teilzunehmen.

AL: Dafür wird er keine Zeit haben.

PO: Dann interessiert er sich offenbar nicht für das, was wir tun. Das können Sie ihm bitte ausrichten.

Und so geht das immer weiter, tagein, tagaus. Die ultimative Lösung dieses Problems kann nur darin bestehen, dass der CEO entweder das Unternehmen insgesamt oder einzelne Bereiche bzw. Piloten vor hierarchischen Mechanismen schützt. Gerade in hierarchischen Unternehmen, aber auch in agilen Organisationen hat der CEO ganz einfach die Macht dafür. Wenn er sich vor die Mannschaft stellt und klar verkündet, dass gewisse Dinge nicht mehr stattfinden, dann sind diese Dinge meist beendet.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Kapitel „Transformation in eine agile Zukunft“ aus meinem neuen Buch Neue Personalstrategien zwischen Stabilität und Agilität, erschienen bei SpringerGabler, Heidelberg (2018).