Active Sourcing ist super aufwendig

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass es im Arbeitsmarkt drei Arten von Menschen gibt, nämlich die nicht suchenden, die aktiv suchenden und die passiv suchenden. Nicht Suchende sind an keinerlei Veränderung in ihrer Karriere interessiert. Die aktiv Suchenden sind das genaue Gegenteil. Sie stehen unter Druck und wünschen sich eher heute als morgen einen neuen Job, oder einen Job überhaupt. Die Passiven haben meist einen Job, sind aber für Neues aufgeschlossen.

Nun ist eine logische Konsequenz, dass man die nicht Suchenden nicht erreicht und es aktiv Suchende aufgrund der Engpässe in den Arbeitsmärkten kaum gibt. Bleiben die passiven Aufgeschlossenen. Diese muss man als Arbeitgeber aktiv finden und ansprechen, die Grundidee von Active Sourcing. Dieser Begriff „Active Sourcing“ wurde in den späten 90ern erfunden und ist übrigens ein deutsches Wort, ähnlich wie „Public Viewing“. Mir ist Stand heute kein international gebräuchlicher Begriff für Active Sourcing bekannt.

Nun könnte man meinen, Active Sourcing sei im Grunde einfach. Man sucht passende Leute etwa auf LinkedIn, spricht sie an und die Dinge nehmen ihren Lauf. Vielleicht könnte man das Ganze auch mittels künstlicher Intelligenz automatisieren. Ich denke, das ist falsch gedacht.

Aber eins nach dem Anderen.

Wo ergibt die aktive Suche und Ansprache potenzieller Kandidaten überhaupt einen Sinn? In erster Linie ergibt Active Sourcing dann einen Sinn, wenn es um die Besetzung singulärer, schwer zu besetzender Positionen geht. Das sind solche Positionen, wo viele Unternehmen reflexartig nach dem Personalberater rufen. Man spricht hier auch von der „Schwierigen Expertensuche“. Ich suche einen Experten für internationales Steuerrecht oder einen Betriebsarzt um nur zwei typische Beispiele zu nennen. Hier lohnt sich weder eine Employer-Branding-Kampagne noch der Aufbau einer Talent Community.

Active Sourcing ist super aufwendig. Das wird spätestens dann klar, wenn man sich vor Augen führt, welche grundsätzlichen Prämissen im idealen Fall befolgt werden sollten:

  • Man benötigt ein Job-spezifisches Arbeitgeberversprechen, dass nur mit Menschen erarbeitet werden kann, die diesen Job wirklich kennen. Dasselbe gilt für relevante Suchkriterien.
  • Man muss sich mit den Kandidaten wirklich persönlich auseinandersetzen. Alles andere ist insbesondere für die Kandidaten lästig und kaum wertschätzend.
  • Man bemüht aktiv die einschlägigen Netzwerke aktueller und ausgewählter Kollegen. Man wartet nicht auf Empfehlungen sondern fordert sie ein.
  • Die persönliche Ansprache von Kandidaten sollte durch einen möglichst erfahrenen Vertreter aus dem Fachbereich erfolgen, also besser nicht durch einen Personaler oder Personalberater und schon gar nicht durch eine Maschine.
  • Spreche nur Kandidaten an, die ernsthaft in Frage kommen könnten. Man sollte Kandidaten nicht unnötig heiß machen.
  • Vertreter der Fachbereiche und insbesondere die einstellende Führungskraft benötigen in Folge der Ansprache sehr viel Zeit um für persönliche, teils lange Gespräche zur Verfügung zu stehen.
  • Auch der gesamte Auswahlprozess im Falle eines Interesses muss im Sinne eines bestmöglichen Kandidatenerlebens schnell, wertschätzend und transparent sein.

Ja, gerade große Unternehmen haben ein natürliches Bestreben, Aktivitäten und Prozesse möglichst skalierbar und effizient zu gestalten. Meist geht es ja um Masse. Entsprechend erleben wir aktuell eine zunehmende Debatte über die Industrialisierung der Kandidatensuche und -ansprache. Die grundsätzliche Frage ist aber, ob man auf Effizienz oder auf Effektivität setzt. Effizienz mag einfach sein mit den nötigen technischen Mitteln. Bei der Personalgewinnung kann Erfolg aber vor allem bedeuten, effektiv zu sein. Ob wir es wollen oder nicht, Effektivität hat einen hohen Preis.